Das Monopol der Rede von Gott und die Säkularisierung der Gesellschaft

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Helmut Aßmann

Herzogstraße 74, 67435 Neustadt-Gimmeldingen

1. Das Monopol der Rede von Gott im Christentum

Der Säkularisierungsprozess, den bereits Harvey Cox in seinem Büchern: „The secular City“ (Die Stadt ohne Gott) und „Stirb nicht im Wartesaal der Zukunft“, für die Vereinigten Staaten von Amerika beschrieben hat und der allmählich auch von der urbanen Gesellschaft in unserem Land Besitz ergriffen hat, führt die Kirchen vor immer größere Probleme. Eine schrumpfende Zahl von Gemeindegliedern in den urbanen Zentren muss die Gebäude unterhalten, die mitunter für eine doppelt so große Zahl von Gemeindegliedern erbaut worden sind und die nun zu einer Belastung für die Gemeinden geworden sind.

Manche Diözesen haben sich vorgenommen, sich von einem Drittel ihrer Kirchen zu trennen. Auch evangelische Kirchen wurden zu Wohngebäuden umgebaut und genutzt. Dies Phänomen gab es bisher nur in der Sowjetunion. Da konnte man Kirchen sehen, die als Schwimmbäder und als Munitionsdepots dienten. Ebenso wurden in der ehemaligen Tschechoslowakei Kirchen enteignet und zweckentfremdet, Orgeln mit Glaspfeifen mutwillig zerstört.

Nun also auch bei uns. Da die Gemeinden Besitzer der Gebäude sind, liegt die Entscheidung über den Verwendungszweck oder den Verkauf bei ihnen. Anders verhält es sich in der katholischen Kirche, wo die Diözesen auch gegen den Willen oder die Einsicht der Pfarreien über den Gebäudebestand verfügen können. Die Landeskirchen bestimmen lediglich, an wen die Kirchen nicht verkauft werden dürfen. Z.B. an religiöse Gemeinschaften, die nicht Mitglied der ACK sind, wie das für die Evangelische Kirche in der Pfalz zutrifft oder an Islamische Gemeinden, weil das für manche Gemeinden unakzeptabel ist, während andere sich über diese Bedenken hinwegsetzen.

 

2. Was ist Säkularisierung?

Evangelischerseits können wir feststellen, dass der Säkularisierungsprozess durch die Reformation beschleunigt worden ist. Klöster wurden geschlossen. Schulen errichtet. Die Bildung wurde Sache des Landesherrn und der Kommunen, wie auch die sozialen Einrichtungen, Krankenhäuser und Kindergärten. Durch das bestehende Subsidiaritätsprinzip in Deutschland werden die kirchlichen Einrichtungen vom Staat unterstützt, müssen aber auch einen Eigenanteil zur Finanzierung beitragen. Neben die Kirchen traten in Krankenpflege, Behindertenarbeit und Sozialarbeit freie Träger, die die gleichen Rechte wie die Kirchen beanspruchen können. Wie die kirchlichen Einrichtungen treten sie mit dem Anspruch auf, ihr Eigeninteresse wahrzunehmen. Das Eigeninteresse der Kirchen in Diakonie und Caritas ist aber das Angebot von Verkündigung und Seelsorge neben Krankenpflege und Diakonie. Die Mitarbeiter der Pfälzischen Diakonie gaben kürzlich eine Erklärung ab, dass sie ihre Kirchensteuern deshalb zahlen, weil sie diese für die Diakonische Arbeit der Kirche verwendet wissen wollen. An dieser Erklärung wurde von Seiten von Prof. Dr. Arndt Götzelmann, Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Ludwigshafen, ergänzend hinzugefügt: aber auch für die kirchliche Arbeit in Wortverkündigung und Seelsorge.

 

Hier berühren wir den Kern kirchlicher Arbeit, die Wortverkündigung. Diese ist von alters her das Monopol der Kirche, ein ihr von Gott verliehener Auftrag, der rechtlich ist durch die Ordination der Pfarrer und Diakone und Bischöfe als ihren mit der Wortverkündigung beauftragten Amtsinhabern. Seit der Reformation wird dieser Auftrag von verschiedenen Kirchen wahrgenommen. Nach den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts kam es zu einer Konfessionalisierung des Christentums. Verschiedene Konfessionen heben ihre je eigene Besonderheit der Verkündigung hervor, während die katholische Kirche sich dadurch von allen andern durch ihre Katholizität unterscheidet, aufgrund deren sie alle Glaubensinhalte, durch die die anderen Konfessionen sich von einander unterscheiden, vollständig zu besitzen glaubt. Sie besteht dementsprechend auch auf dem Anspruch auf das Monopol der Glaubensverkündigung, dem Monopol der Auslegung des Wortes Gottes, der Heiligen Schrift und auf dem Primat des Oberhaupts der Kirche als des Nachfolgers Petri und des Stellvertreters Christi auf Erden. Sie besteht auf dem Monopol der Verkündigung des Wortes Gottes, auf dem Primat des Papstes und auf der Anerkennung von beidem durch die anderen christlichen Konfessionen.

Säkularisierung im Bereich der Kirchen ist also Konfessionalisierung. Während die katholische Kirche der Säkularisierung mit ihrem Programm der Entweltlichung, d.h. mit dem Rückzug auf die eigentlichen Aufgaben der Kirche, begegnet, widersetzt sie sich der Konfessionalisierung durch ihr Verständnis der Einheit der Kirche und durch ihr Konzept der Wiedereingliederung (Redintegratio unitatis, Vaticanum II) in die nur in der katholischen Kirche sichtbare Einheit der Kirche. Das pluralistische Kirchenverständnis des Weltrats der Kirchen auf der einen Seite steht hier im Gegensatz zum zentralistischen Kirchenverständnis der katholischen Kirche auf der andern Seite, die deshalb auch noch nicht Mitglied des Weltkirchenrats geworden ist und nicht werden kann, solange der Gegensatz zwischen dem pluralistischen und dem zentralistischen Kirchenverständnis nicht überwunden ist.

 

3. Das Monopol der Rede von Gott im Islam 

a) Das Verständnis des Christentums im Koran

Im Islam gibt es ebenfalls den Anspruch auf ein Monopol des Redens von Gott durch den Propheten Mohammed und den im Koran niedergelegten Willen Gottes. Der konsequente Monotheismus des Islam unterscheidet sich vom Christentum nicht durch die Ablehnung der Messianität Jesu Christi, die der Islam anerkennt, sondern durch die Ablehnung des Gedankens seiner Zeugung durch Gott. Der Koran sagt, dass Gott weder zeugt noch gezeugt wird und wendet sich hiermit gegen das Calcedonensische und das Athanasianische Bekenntnis der Kirche, denen zufolge Christus als der Sohn Gottes nicht geschaffen, sondern gezeugt worden ist und, da er gezeugt worden ist, auch eines Wesens mit Gott, dem Vater, ist, so wie im biologischen Vergleich der Sohn eines Wesens mit dem Vater ist.

 

Die Fehldeutung dieses Bekenntnisses besteht in einem elementaren Missverständnis der Analogie zwischen der Wesensgleichheit zwischen Gott und dem Sohn Gottes und derjenigen, die zwischen einem Vater und einem Sohn besteht, die die Väter des Athanasianums dazu benutzt haben, um das Verhältnis zwischen Gott und Jesus Christus zu verdeutlichen. Die Analogie ist, wie Karl Barth in seiner „Kirchlichen Dogmatik“ ausgeführt hat, keine analoga entis, sondern eine analogia fidei. Es handelt sich also nicht wirklich um eine Zeugung des Sohnes durch den Vater, sondern um die Wesensgleichheit (Homoousia) des Vaters mit dem Sohn. Diese wird am Beispiel der Wesensgleichheit von Vater und Sohn veranschaulicht, die dann eben auch die Wesensgleichheit des Geistes mit dem Vater und dem Sohn ist. Das gleiche Missverständnis ist das in Sure 112 ausgesprochene Verständnis der Trinität, dass Gott Gefährten beigesellt werden. Vielmehr gilt: Der Vater und der Sohn sind eins. „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). „Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien gleichwie wir (eins sind)“ (Joh 17,11). „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir (bist) und ich in dir (bin)“ (Joh 17,15).  „Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien gleichwie wir eins sind“ (Joh 17,22).

 

Der Islam ist daher für die Christenheit eine dauernde Herausforderung, ihr Bekenntnis unmissverständlich und klar zu artikulieren und zu verdeutlichen, um solche und ähnliche Missverständnisse nicht immer wieder zu provozieren. Da diese aber im Koran festgeschrieben sind, wird so leicht kein gläubiger Moslem durch den Verweis auf die oben genannten Texte des Johannesevangeliums und die Bekenntnisse der Kirche vom Gegenteil zu überzeugen sein, obwohl diese es mit aller Klarheit bezeugen.

 

b) Das innerislamische Ringen um die rechte Auslegung des Koran und die Nachfolge des Propheten

Das Monopol der Auslegung des Korans und damit des Willens Gottes ist im Islam aber auch umstritten zwischen Schiiten, Sunniten und Alewiten. Die Alewiten erkennen nur Mohammed und Ali an, die Sunniten Mohammed und die Kalifen und die Schiiten Mohammed, Ali und die Kalifen. Aber von einer Konfessionalisierung des Islam sind Schiiten, Sunniten und Alewiten noch weit entfernt und sie bestehen alle drei auf dem Selbstverständnis, den wahren Islam zu verkündigen. Säkularisierung ist zwar durch Globalisierung und technischen Fortschritt überall spürbar, hat aber auf dem Gebiet der Religion nicht zu einer Konfessionalisierung, d.h. aber einer gegenseitigen Anerkennung der Konfessionen geführt, auch nicht da, wo der Staat sein säkulares Selbstverständnis gegen die Religion behauptet, wie es in Ägypten und der Türkei, gestützt auf das Militär, Fall ist.

 

Da das Recht von Gott zu reden und in seinem Namen zu sprechen von den Kirchen und Moscheen wahrgenommen wird und somit monopolisiert ist, ist ein friedliches Zusammenleben der Menschheit gerade durch die Gegensätze zwischen den Religionen gefährdet und gestört. Die Säkularisierung, die besonders durch die Französische Revolution durchgesetzt wurde, hat sich deshalb immer einerseits gegen die Religion gewendet und andererseits hat der Staat, auch der französische, die Religion für seinen Zweck missbraucht. Das Beispiel Syriens zeigt, wie sich eine alewitische Herrschaftsschicht gegen die sunnitische Mehrheit nur durch Bürgerkrieg behaupten kann, der Irak zeigt wie abwechselnd eine schiitische Mehrheit eine sunnitische Minderheit und eine sunnitische Minderheit eine schiitische Mehrheit beherrschen kann und wie das Land permanent in der Gefahr eines Bürgerkriegs steht. Der Libanon wird vom Iran mit der schiitischen Kampftruppe der Hisbollah unterwandert, die auch den Kampf in Syrien gegen die Opposition unterstützt. Die Leidtragenden sind die Christen in den islamischen Staaten, die in großer Zahl nach Europa und Amerika emigrieren, also in Staaten, in denen die Säkularisierung bereits fortgeschritten ist, wodurch die Marginalisierung der christlichen Kirchen in ihren Herkunftsländern nur schneller voranschreitet. Diese Situation verschärft die Polarisierung zwischen den säkularisierten, christlichen Staaten des Westens und den nicht-säkularisierten, islamischen Staaten des Vorderen Orients, wobei die Tatsache, dass die einen christlich, die andern moslemisch geprägt sind, nicht entscheidend ist. Vielmehr ist entscheidend, wie weit die Säkularisierung in diesen Ländern fortgeschritten ist und welche Funktionen Kirche und Moschee im gesellschaftlichen Prozess einnehmen.

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