Heinz Knieriemen
Herrmann-Jürgens-Str. 1, 76829 Landau
Vor mir auf dem Tisch liegt die neue Taufagende, leuchtend blau, strahlend darauf das Wappen unserer Kirche, mit kostbarem Goldrand versehen.
Welch ein Unterschied zur geradezu armselig erscheinenden alten Agende. Fünf farbige Bändchen helfen als Buchzeichen zum richtigen Auffinden der wichtigen Stellen. Mein erster Gedanke: Hoffentlich bringt der Liturg, der sich den Ablauf genau bezeichnet hat, die Farben nicht durcheinander und verwirrt damit das ganze sorgsam durchdachte Taufgeschehen.
Aber das ist eine völlig nebensächliche Vorbemerkung, und ich fange an zu lesen: Die Agende 1965 war durch restaurative Tendenzen usw. geprägt. Jetzt aber ist im ökumenischen Dialog ein vertieftes Taufverständnis eröffnet. Bei wem, frage ich mich, bei einigen Theologen oder bei unseren normalen Gemeinden? – Und die werden jetzt angesprochen: „Im Blick auf die gesellschaftliche Situation kann eine selbstverständliche Kirchlichkeit nicht mehr vorausgesetzt werden.“ – „Ein reduziertes Wissen um Inhalte der Bibel und des Glaubens bringen die Veränderungen in der Gesellschaft mit sich.“ – Jeder kann leicht feststellen, dass dies bis in unsere volkskirchliche Gemeinden hineinreicht. (Deshalb z.B. auch eine Agendenhilfe für den Fall, dass die Eltern keiner christlichen Kirche angehören [S. 215]).
Zu einem „vertieften Taufverständnis“ hilft aber nun die Feststellung: „Zugleich habe die darstellende Aneignung von Sachverhalten, der Bedarf des Visualisierens von Botschaften und die Einübung von Ritualen zur Bewältigung der Situation zugenommen.“
Dieser Behauptung werden viele Soziologen zustimmen, aber wenn das sehr in den Vordergrund tritt, darf man wohl fragen: Wohin treibt die Kirche, was ist jetzt wichtiger, das Verstehen und Glauben der Botschaft oder das Einüben von Ritualen?
Nach dem Verstehen der Botschaft, auch nach dem Verstehen des Sinnes der Rituale will ich nun fragen. Da geht es mir vor allem um das Bekenntnis zum Dreieinigen Gott, die Voraussetzung für die Taufe. Ich suche in der Agende und finde nur als einzige Möglichkeit für ein Bekenntnis das Apostolische Glaubensbekenntnis. Das ist der einzige Punkt in der ganzen Agende, bei dem es keine Alternative gibt. Auch im Anhang, wo manch schönes Gebet usw. vorgeschlagen wird, findest sich nicht die Spur eines Hinweises, dass man auch ein anderes, neues Bekenntnis zum dreieinigen Gott verwenden könnte; nicht einmal ein Hinweis auf das eindrucksvolle Bekenntnislied R. A. Schröders (EG 184), das sogar im „Gotteslob“ steht (freilich nicht mit der schönen Melodie von Lahusen).
Das Apostolische Glaubensbekenntnis birgt aber im Verstehen seiner Aussagen große Tücken. Nicht umsonst spricht unsere Vereinigungsurkunde von „gebührender Achtung“, in der die alten Bekenntnisse gehalten werden sollen. „Gebührende Achtung“ heißt doch: Ich kann sie wohl zitieren, aber ohne Erklärung ihres Sinnes nicht verstehen, im Grunde mit ihnen nicht bekennen. Zum rechten Bekennen braucht es meine Worte, meine Begriffe, meine Zustimmung. Viele Kolleginnen und Kollegen helfen sich mit der Einführung: „Wir bekennen unseren christlichen Glauben, so wie es die alte Kirche formuliert hat.“ Auch ich habe schon so ähnlich das Bekenntnis eingeleitet, fast mit schlechtem Gewissen, die Gemeinde zum Zitieren, aber nicht zum wirklichen Bekennen aufzufordern.
So frage ich also einige Gemeindeglieder, nicht Kirchenferne, sondern bewusst unserer Kirche angehörend: Was denken Sie, wenn Sie das Apostolische Glaubensbekenntnis mitsprechen? Eine klare erste Antwort: „Nichts“; eine andere: „Da muss ich erst mal nachdenken“; eine andere: „Da schweige ich, das kann ich nicht mitsprechen“; eine andere: „Das steht doch so in der Bibel.“
Wo aber steht das so in der Bibel? Gewiss, es ist zusammengestellt aus vielen, in ihrer Art verschiedenen Aussagen, aus Geschichten unterschiedlicher Entstehungsabsicht (aus historischen Feststellungen, aus Legenden, aus wichtigen Glaubensaussagen, aus apokalyptischen Vorstellungen, aus symbolisch zu verstehenden Worten).
Im Apostolischen Bekenntnis erscheint das aber als eine Aneinanderreihung von historischen Glaubensaussagen, die schnell in die Irre führen. Meint die Aussage „empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“ eine biologische oder eine Glaubensaussage? Meint die Auferstehung die Wiederbelebung eines Leichnams in irgendeiner unvorstellbaren Form? Meint die Himmelfahrt die Hinauffahrt zu einem kaum vorstellbaren Ort, von wo aus Gott alle Fäden in seiner Hand hält?
Jeder wird sofort sagen: Nein, auf keinen Fall! Doch dazu gehört schon ein gewisses theologisches Verstehen, ein „Umdenken“ der alten Formulierungen. An dieser Stelle will ich hinweisen auf Aussagen in der Agende; z.B. S.224 „Motiv Tod und Auferstehung“:
„Jesus Christus, dein Tod ist unsere Hoffnung, deine Auferstehung ist unser Leben. Getauft auf deinen Namen, beschenkt mit deinem Geist, getragen vom Glauben an dich, leben wir. Gefangen in unserem Ich, verschlossen gegen dich, sterben wir täglich. Als neue Menschen offen für dich, offen für unsere Nächsten, stehen wir täglich auf. Richte uns aus auf dein Wort, damit wir leben, was wir glauben…“
Also die Erzählung von Jesu Auferstehung hat nicht die Absicht, von seinem persönlichen Ergehen zu erzählen, sondern Auferstehung ist das neuen Leben seiner Glaubenden durch seinen Geist hier auf Erden. Oder ich weise hin auf den Aufsatz, Gemeindevortrag von Klaus Bümlein im Pfarrerblatt 12/2011: „Die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“.
Kann ich das in einem Taufgespräch den Zeitgenossen erklären, damit sie dann das Glaubensbekenntnis verstehen und wirklich mitsprechen können? Das ist nicht möglich, niemand vermag und soll ein Taufgespräch zu einer weit ausholenden theologischen Belehrung umfunktionieren.
Aber wie soll es dem in der Einführung genannten Zeitgenossen auffallen, der der biblische Tradition fremd geworden ist, zwar noch der Kirche angehört, dem wir das Apostolische Glaubensbekenntnis ohne tiefe Erklärung abverlangen und mit einübenden Ritualen zu vertieftem Taufverständnis helfen?
Das tut die neue Agende sehr fleißig. Da kann man nur staunen, was alles aus alten oder ökumenischen Erkenntnissen herauskommt. Die Gemeinde wird vor feierlichem Erstaunen ein innerliches Ah und Oh hervorbringen.
Ich will nur Beispiele anführen: Wir bekreuzigen mit feierlichen Worten das getaufte Kind. Gewiss wird ihm jetzt eine „höhere Weihe“ verliehen, die die Taufe erst richtig bestätigt.
Oder wir halten eine Taufwassermeditation (z.B. S. 86), wobei sogar drei Liturgen mitwirken dürfen. Beim Abendmahl ist uns ja leider die Transsubstantiation verlorengegangen, deshalb können wir hier, indem wir das Taufwasser in ein heiliges Bad verwandeln, etwas nachholen. So ist es zwar nicht gemeint, so versteht es aber eventuell doch der Zeitgenosse.
Oder wir halten eine besondere „Absage an das Böse“ vor der Taufhandlung für notwendig, als ob die Taufe selbst nicht schon eine Absage an das Böse, ein Einnehmen und Hineintreten in den Geist Christi wäre. Und wer wird bezweifeln, dass wir immer wieder neu eine Absage an das Böse, eine Bitte um Erneuerung unseres Geistes brauchen, nicht nur vor der Taufe.
Oder wir „segnen Eltern und Paten“, besonders gewichtet, wenn dies unter Handauflegung erfolgt (S. 9). Wozu ein Sondersegen, wenn doch für die ganze Gemeinde der Segen Gottes erbeten wird?
Das Entzünden und Überreichen der Taufkerze ist schon lange bei uns üblich; dafür hat niemand eine Taufagende gebraucht.
Ich gebe zu, ich übertreibe beim Beschreiben und Kritisieren dieser Rituale. Ich weiß wohl, dass einzelne Rituale gewiss einen guten Sinn vermitteln können. Aber glauben wir wirklich, dass wir mit besonderer Betonung dieser Dinge, abgesehen von einem echten Verstehen, Glauben und Bekennen, das Taufverständnis erneuern und damit unsere Kirche stärken können? Ich kann es nicht verstehen, dass neben all diesen frommen Events ein unverstehbares Zitieren des Apostolischen Glaubensbekenntnisses stehen muss.
In der hessischen Kirche durfte ich die Taufe eines Urenkels erleben. Und wir sprachen alle zusammen dabei ein von Dietrich Bonhoeffer formuliertes Bekenntnis zum Dreieinigen Gott, und wir fühlten uns, wie viele bestätigten, sichtbar wohl dabei.
Freilich, es geht überhaupt nicht ums „Wohlfühlen“, sondern um Wahrheit, um echtes eigenes Bekennen. Ist niemand im theologischen Ausschuss auf diese Idee gekommen? Die Ausreden, die jetzt vorgebracht werden, sind uns alle wohlbekannt, aber überzeugen nicht. Angst vor einem „Verletzen des ökumenischen Geistes“ hilft dem ökumenischen Geist nicht weiter.
Gerne dürfen mich jetzt manche einen unverständigen, unverbesserlichen alten Menschen oder gar einen Ketzer nennen. Ich fühle mich in guter Gesellschaft und hoffe, dass es in unserer Kirche Menschen gibt, die nicht zufrieden sind, wenn der kirchliche Betrieb einigermaßen ungeschoren weiterläuft, und die hoffen, ihn nicht mit schönen Ritualen etwas aufpäppeln zu können; sondern die auf ein Hören und Verstehen der biblischen Botschaft setzen.
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