Günter Kettenbach
Krokusweg 7, 67346 Speyer
Gebr. Mann Verlag, Berlin, 1997, 326 S. mit 212 Abb., 184,- DM, ISBN 3-78611958-9
Der Tafelteil mit über zweihundert Abbildungen der Arche Noahs und des Jona-Schiffes verdeutlicht den Titel des Buches. Der Autor zeichnet nicht die Schiffstypen, die im Alten Testament skizziert werden. Um sie nachzuzeichnen, sind die Angaben der Bibel zu spärlich. Das Alte Testament nimmt das Wort »anija«, , »Schiff«, um gern metaphorisch von Israel zu reden. Wie das Christentum, wie die christliche Kirche, so hat Israel das Symbol Schiff. Es zeigt auf das Land, das Volk, die Geschichte und auf die Bedeutung Israels. Weil das Schiff Symbol sowohl Israels als auch der christlichen Kirche ist, konnten die Sintflutgeschichte mit der Arche und die Jonanovelle mit dem Schiffsmotiv den neutestamentlichen Glauben veranschaulichen. Darum beginnt der Tafelteil mit Arche-Bildern aus dem dritten Jahrhundert nach Christus und endet mit christlich interpretierten Jona-Schiffsbildern dieses Jahrhunderts.
Durch das Zusammentragen der Schiff-Bilder erhält das Buch hohen Wert. Die Fülle des dargebotenen Bildmaterials und die Hinweise auf weitere Fund- oder Standorte führen vor Augen, was in Theologie und Wissenschaft geflissentlich übersehen wird: Das Schiff ist das Ursymbol der Kirche. Bibel und Siegelbilder zahlreicher Kirchengemeinden, Kirchenkreise, kirchlicher Ämter hegen Schiffsmotive und Motive aus der Seefahrt. Drei deutsche Landeskirchen zeigen in dem Bild ihrer Kirchensiegel ein Segelschiff in Fahrt. Das Siegel des Ökumenischen Rates der Kirchen deutet ebenfalls auf das Schiff. Das Signet des konziliaren Prozesses »Bewahrung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit« trägt das Symbol Schiff als Zeichen der Hoffnung auf eine Zukunft in Gesundheit. Doch was bedeutet es? Die Muttersprache, reich an Schiffahrtsmetaphern, und die Dichtkunst geben erste Auskunft. Das Schiff symbolisiert umfassend und schlechthin das Leben. Darum bedient sich die Bibel der Schiffahrtsbilder und treibt Schiffahrtsmetaphorik.
»Jeder Künstler hat eine Bildsprache eigener Qualität, der nachzuspüren reizvoll und erlebnisreich ist« (S. 66). Der Stoff der beiden Schiff-Geschichten Noah und Jona reizt, reizt den Theologen, den Prediger, den Künstler. Warum ließ der eine Maler die Segel weg, der andere den Mast? Die Christenheit singt in der Adventszeit: »Das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.« Arvid Göttlicher geht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, im Textteil auf Interpretationen und Variationen ein. Die vorgestellten Werke unterscheiden sich oft erheblich, die Motive variieren. Die Fülle der Literatur, auf die immer wieder in dem Buch hingewiesen wird, kann Hilfe sein für das Verstehen des einen oder anderen Bildes, Bildzuges. Manches Gemälde läßt sich interpretieren, wenn Wortexegese des hebräischen Urtextes oder der griechischen Septuaginta-Übersetzung getrieben wird, Fachausdrücke korrekt wiedergegeben, die Religionsgeschichte, die Umwelt, die Geschichte der einzelnen Darstellung untersucht werden.
Der alttestamentliche Dichter schrieb die Jonageschichte in der Form Novelle. Sie verleiht jedem Wort Gewicht. Die Jonanovelle ist zudem voller konziser Topoi. Sie enthalten das Leben. In ihnen findet sich der Mensch wieder, eigens in dem Urbild Schiff. Das Bild der Arche als Schiff hat sich so stark in der Sprache und im Bewußtsein des Menschen verankert, daß immer wieder neue, schöpferische Werke über die beiden Schiff-Geschichten des Alten Testaments entstehen, besonders dann, wenn Weltuntergangsstimmung herrscht, die nächste Sintflut erwartet wird. Allein schon mit den aus achtzehn Jahrhunderten öffentlich präsentierten Werken der Mal- und Bildhauerkunst über das Noah- und Jonaschiff kann ein Buch, können mehrere Bücher gefüllt werden.
Von Arvid Göttlicher erschienen bisher: »Materialien für ein Corpus der Schiffsmodelle im Altertum«, 1978; »Nautische Attribute römischer Gottheiten«, 1981; »Die Schiffe der Antike. Eine Einführung in die Archäologie der Wasserfahrzeuge«, 1985; »Kultschiffe und Schiffskulte in der Antike«, 1992. Geplant für 1999: »Die Schiffe im Neuen Testament.«
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