Wann ist Weihnachten?

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Dr. Paul Metzger
Weinstraße 35, 67278 Bockenheim

Die Geburt eines Festes in der Alten Kirche

Weihnachten ist in der Gegenwart das bedeutendste christliche Fest – zumindest gemessen an Bekanntheit und Einfluss in der Welt. Kein Fest bestimmt das Handeln völlig areligiöser Menschen in dem Maß wie Weihnachten. Obwohl theologisch das Osterfest sicherlich bedeutender sein dürfte, richten sich selbst säkulare Geschäftsinteressen an Weihnachten aus. Kunst, Kitsch und Kommerz haben Weihnachten seit langem für sich entdeckt und es zum eigentlichen Höhepunkt des Jahres gemacht. Angesichts dessen ist erstaunlich, dass das Fest der Geburt Christi sich relativ spät in der Geschichte des Christentums entwickelt hat. Bis heute weiß man nicht genau, warum, wie und wann es genau „geboren“ wurde.

Drei Vermutungen wollen das „Warum“ erklären. Erstens: Das Weihnachtsfest entsteht zu der Zeit, als das Christentum sich von der verfolgten Gemeinschaft zur geduldeten Religion und bald zur Staatsreligion des römischen Reiches entwickelt. Dabei nimmt das Christentum seiner heidnischen Konkurrenz unter anderem auch deren Feste weg und deutet sie um.

Die zweite Vermutung denkt nicht an das Verhältnis von Christen und „altgläubigen“ Römern, sondern an innerchristliche Streitigkeiten. Gegen christliche Lehren, die bestreiten, dass Christus wirklich als echter Mensch geboren wurde, führt man gemäß dieser Theorie das Weihnachtsfest ein, um die Geburt Jesu mit einem Fest zu betonen. Die Wirklichkeit der Inkarnation, der „Fleischwerdung“ des Gottessohnes, ist demnach die eigentliche Motivation dieses Festes.

Die dritte Theorie besagt, dass das Fest aufgrund von historischen Berechnungen eingeführt und festgelegt wurde. Man wollte – so diese Vermutung – den genauen Termin der Geburt Jesu angeben. Um den Geburtstag Jesu zu berechnen, braucht man aber Anhaltspunkte. Die Texte der frühen christlichen Autoren bieten aber kaum Angaben zu diesem Datum. Meistens versuchen diejenigen, die wissen wollen, wann Jesus wirklich geboren wurde, die Angaben der Evangelien mit anderen Belegen zu kombinieren. Denn die Angaben der Evangelien (vor allem bei Lukas) sind in der Tat unzureichend und miteinander unvereinbar. Deshalb versucht man mit Hilfe spekulativer Überlegungen eine gewisse Symbolik mit dem Geburtstag Jesu zu verbinden. Eine Vermutung lautet z.B., dass Jesus am selben Datum geboren wurde, an dem er ca. 30 Jahre später auch gestorben sei. Damit sei der Kreis des Lebens symbolisch geschlossen. An Weihnachten wäre er aber nicht geboren.

Ein sprechendes Beispiel der Berechnungshypothese bietet Johannes Chrysostomos (349-407), der Bischof von Antiochia (heute: Antakya/Türkei), der als einer der besten Prediger des 4. Jahrhunderts n. Chr. gilt, deshalb sein Beiname: „Goldmund“. Er versucht in einer Weihnachtspredigt aus den 80er Jahren des 4. Jahrhunderts die Geburt Jesu zu berechnen. Seine Grundfrage lautet: Wann ist die Sonne der Gerechtigkeit auf Erden erschienen? Deutlich ist dabei, dass seine Gemeinde das Fest seit etwa zehn Jahren feiert. Das Problem ist, warum am 25. Dezember? Darüber scheint es in der Gemeinde Streit zu geben. Chrysostomos liefert drei „Beweise“ für das Datum: 1. Das Fest hat sich schnell verbreitet und blüht weiter auf. 2. Er beruft sich auf die Darstellung im Lukasevangelium. Dort sei eine Volkszählung erwähnt und jeder, der genau wissen wolle, wann diese war, könne nach Rom fahren und in den römischen Archiven nachsehen. 3. Johannes berechnet den Tag der Geburt Christi, indem er die Schwangerschaften von Elisabeth, der Mutter von Johannes dem Täufer, und Maria berechnet. Sein Ausgangszeitpunkt ist dabei die Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers. Diese sei erfolgt, als Zacharias, der Vater des Täufers, als Hohepriester nach Lk 1,10 im Tempel Dienst tat. Kombiniert man dies mit Angaben aus dem Alten Testament, wann der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels zu betreten hat, kommt man auf einen Startpunkt der Berechnung. Von diesem ab rechnet Johannes seiner Gemeinde vor, dass Jesus am 25. Dezember geboren sein muss.

Betrachtet man diese Argumente fällt vor allem auf, wie dreist der „Kirchenvater“ argumentiert. Der erste Beweis verweist nur auf den zu seiner Zeit sehr umstrittenen „Erfolg“ des Festes. Als Anhalt zur Datierung nützt dies nichts. Der zweite Beweis hilft ebenfalls nichts, da weder er selbst noch seine Hörer nach Rom fahren können. Und selbst wenn, hätte ein einfacher Bürger keinen Zugriff auf die Archive bekommen. Und falls doch: Die Volkszählung des Quirinius, auf die Lukas verweist, hat 6/7 n. Chr. stattgefunden, was wiederum nicht mit den Angaben zusammenpasst, wonach Jesus in der Regierungszeit von Herodes d. G. geboren wurde, weil dieser bereits 4 v. Chr. starb. Eine Lücke von fast zehn Jahren tut sich auf. Und wenn es schon schwer fällt, das Jahr der Geburt Jesu festzulegen, kann von einem Geburtstag natürlich gar nicht geredet werden. Der dritte Beweis hilft ebenfalls nicht weiter. Chrysostomos unterschlägt nämlich, dass Zacharias gar kein Hohepriester war, also niemals in das Allerheiligste des Tempels gegangen ist. Damit verliert Johannes aber den Ausgangspunkt seiner weiteren Berechnungen.

Diese Überlegungen zeigen, dass die „Berechnungshypothese“ sicherlich nicht die Erklärung liefern kann, warum das Fest der Geburt Christi überhaupt geboren wurde, nicht einmal warum ausgerechnet am 25. Dezember. Scheidet diese Theorie aus, bleibt in erster Linie die erste Vermutung bestehen, wonach die Geburt von Weihnachten aus dem Gegenüber zur heidnischen Festpraxis zu erklären ist. Weil jede Religion ihre Riten und Festzeiten braucht, wendet das Christentum eine Praxis an, die auf der Umdeutung bekannter Zeiten basiert. Diese Zeit ist die Wintersonnenwende. Dies ist aus der Beobachtung der Sonnenlaufbahn vorgegeben. Die Sonne wird mit Christus in Verbindung gebracht. Christus ist nach Joh 8,12 das Licht der Welt. Deshalb ist es folgerichtig, dass er am Tag der Wintersonnenwende geboren wird. Nach dem julianischen Kalender ist das der 25. Dezember. Gleichzeitig feiern die Römer das Fest eines römischen Gottes, die Geburt der unbesiegbaren Sonne (Natalis Solis Invicti). Dieses Fest stellt die Konkurrenz dar.

Da sich aber noch im 5. Jahrhundert n. Chr. Hinweise finden, dass das Fest des unbesiegten Sonnengottes (Sol invictus) begangen wurde, ist klar, warum christliche Theologen sich genötigt sahen, das Festdatum zu verteidigen. So appelliert z.B. Augustin (354-430), der Bischof von Hippo Regius (heute: Annaba/Algerien), an seine Gemeinde nicht „wie die Ungläubigen“ den 25. Dezember „wegen der Sonne“ zu feiern, sondern „wegen dessen, der diese Sonne gemacht hat“. Augustin bezeugt, dass die Lichtsymbolik der entscheidende Hinweis zur Interpretation des Festes darstellt. Außerdem führt er den interessanten Gedanken ein, dass Christus sich diesen Tag selbst erwählt habe. Damit verweist er auf die eigentliche Wurzel des Festes. Es geht nicht um das Datum der Geburt Jesu. Es geht um die theologische Aussage, die damit verbunden ist. Derjenige, der später am Kreuz sterben und von Gott auferweckt werden wird, dieser ist bereits von Anfang der Sohn Gottes. Die Inkarnation ist der Beginn des Weges, Kreuz und Auferstehung stehen am Ende. Das Licht Gottes scheint in der Finsternis der Welt (Joh 1,5) auf.

Das Datum des Festes ist also wahrscheinlich im Gegenüber zur römischen Religion entstanden. Der Sinn von Weihnachten liegt aber darin, dass an Weihnachten „die Zeit erfüllt war“ (Gal 4,4). Gottes Zeit als Mensch bricht an. Und reicht bis in unsere Tage!

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