Die Auferstehung der Toten und das ewige Leben

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Die christliche Hoffnung über den Tod hinaus

Dr. Klaus Bümlein
Ludwigstraße 80, 67346 Speyer

Glauben Sie fragte man mich/ An ein Leben nach dem Tode/ Und ich antwortete: Ja/ Aber dann wusste ich/ Keine Antwort zu geben/ Wie das aussehen sollte/ Wie ich selber aussehe/ Dort… So beginnt ein Gedicht von Marie- Luise Kaschnitz (1901-1974).[1] Vor allem nach dem frühen Tod ihres Mannes hat die Dichterin immer wieder die Frage nach der Reichweite ihrer Hoffnung gestellt. Sie wagt ein Ja auf die Frage nach einem Leben nach dem Tod. Aber wie dieses Leben aussehen kann, das bringt sie in Verlegenheit. Da zögert sie wie so viele.

Manche reden und denken radikaler. Albert Camus hat nach dem Zweiten Weltkrieg gemeint: Diese Welt bevölkert sich mit Menschen, die klar sehen und nichts hoffen. Das ist vielleicht übertrieben. Denn das wissen wir alle: Die Hoffnung gehört zur Grundausstattung menschlichen Lebens. Darum stirbt sie auch zuletzt. Aber dabei geht es zuerst um die sehr irdische Hoffnungen: das nächste Frühjahr, den runden Geburtstag, das erste Enkelkind, die große Liebe, den schönen Urlaub. Brauchen wir mehr als diese weltlichen und diesseitigen Hoffnungen?

In einem ersten Teil will ich dieser Frage nachgehen. Warum eine größere Hoffnung? Warum eine Zuversicht und eine Sehnsucht über die irdischen Schranken hinaus? In einem zweiten Teil fragen wir nach dem Wie und dem Worauf.

A  Hoffnung über den Tod hinaus: warum eigentlich?

1. Die Jenseits-Hoffnung in Religionen und Philosophien

Eigentlich kann es erstaunen: Die Hoffnung, die weit über die irdischen Lebensschranken hinausreicht, ist in vielen Religionen der Menschheit verbreitet. Heute noch weisen in Ägypten die Pyramiden auf die Erwartung einer kommenden Ewigkeit für die Herrschenden hin. Für den Hinduismus ist die immer neue Wiederkehr ins irdische Leben bis zum Erreichen des seligen Lebens wie selbstverständlich. Aber auch unsere Vorfahren, Germanen und Kelten, sind von einer größeren Hoffnung getragen; die Grabbeigaben geben darüber zweifelsfrei Auskunft.

Vergessen wir neben den Religionen nicht das philosophische Denken. Seit die griechischen Denker aus dem Volksglauben heraustreten und denkerisch die Frage nach dem Ursprung und Ziel stellen, finden wir die Gewissheit einer unsterblichen Seele. Bei Pythagoras, der bis heute auch als Mathematiker bekannt ist. Bei Sokrates, der mit Zuversicht das Todesurteil auf sich nimmt. Bei seinem Schüler Plato, der in seinen Dialogen zeigt, dass wir an den ewigen Ideen teilhaben und darum selber zur Unsterblichkeit berufen sind. Ganz sicher also, o Kebes, ist die Seele unsterblich und unvergänglich, und in Wahrheit werden unsere Seelen sein in der Unterwelt.[2]

2. …und dagegen die Beschränkung auf das Diesseits

Allerdings war zu keiner Epoche der Menschheit diese Jenseits-Hoffnung allein herrschend. Bei den Griechen spricht der Dichter Homer von dem Schattenreich im Tode, das keiner mit dem vitalen Diesseits vertauschen möchte. Als Odysseus im Reich der Toten auf den einst strahlenden Helden-König Achilles trifft, da meint der: Suche mich nicht über den Tod zu trösten…wollte ich doch lieber als Ackerknecht Lohndienste bei einem Mann ohne Landlos leisten, der nicht viel Lebensgut besitzt, als über ale dahingeschwundenen Toten Herr sein .[3]Lieber ein armer Lohnknecht auf der Erde als ein König da unten bei den Schatten!

Und der Glaube, die Hoffnung bei den Menschen der Bibel? Vielleicht überrascht es uns: Aber auch im Alten Testament begegnen wir nicht von Anfang an einer Gewissheit des jenseitigen Lebens. Bonhoeffer bewunderte die tiefe Diesseitigkeit, die Hochschätzung und Erfüllung im irdischen Leben. Nicht umsonst heißt es von Abraham, dass er mit 175 Jahren alt und lebenssatt starb (1 Mose 25,7-8). Ähnliches lesen wir von Isaak (1 Mose 35,29), von König David (1 Chronik 23, 1), von Hiob (Hiob 42,14). Gerade das Alte Testament flüchtet nicht hinüber in ein höheres Leben; es bleibt der Erde treu, wie später Friedrich Nietzsche gefordert hat.[4] Gerade darum können wir auch die Gründe und Antriebe verfolgen, die zu der größeren Hoffnung hin getrieben haben.

3. Impulse zur größeren Hoffnung: Leben als Stückwerk

Wie kommt es zu der größeren Hoffnung? Es gibt auf der einen Seite einen doppelten Antrieb vom Menschen her. Ohne eine solche Verankerung der Jenseits-Hoffnung in der Situation der Menschen hätte die Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus auch gar kein Interesse.

Was die Zuversicht auf das größere Leben inspiriert, ist einerseits eine allgemeine Erfahrung, die sich doch bei allen auf eine persönliche Weise einstellt: Wie viel bleibt auch im gelungenen Leben nur Ansatz und Stückwerk, nur uneingelöstes Versprechen und unerfüllte Sehnsucht!  Ja: wie vieles ist, bei allem ehrlichen Bemühen, misslungen, verfehlt und missraten! Es ist doch unser Tun umsonst/ auch in dem besten Leben (Aus tiefer Not, EG 299,2). Der Psalm von der Vergänglichkeit unseres Lebens sagt es so: Unser Leben währet siebzig Jahre,/ und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre,/ und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe (Psalm 90). Muss nicht aus solcher Defiziterfahrung der Wünsch nach der größeren Vollendung, nach der Heilung des Vergeblichen entspringen?

Eine aktuelle englische Studie kommt zwar zu dem Ergebnis, dass für den Mitgliederschwund der Religionsgemeinschaften die deutliche gestiegene Lebenserwartung klar mitverantwortlich sei. Wer länger lebt, hat weniger Interesse am Jenseits und darum unter anderem am christlichen Glauben.[5]  Aber was ist mit jenen, die nicht ein hohes Alter erreichen können, was mit allen, die mit Verletzungen und Frustrationen weiter bis in die spätesten Jahre gezeichnet bleiben?

4. Hoffnung für Leidende und Entrechtete

Wer nach den menschlichen Wurzeln fragt, der kann nicht bei den persönlichen, quasi egoistischen Hoffnungen bleiben. Nicht nur eigenes Leiden, sondern das Leiden von andern treibt die Hoffnung an. Nicht nur die eigene Passion, sondern die Com-Passion, die Sym-Pathie mit anderen. Wo bleiben all die Verkannten und auf dieser Erde Vergessenen, die Erniedrigten und Beleidigten, alle, die keine Chance hatten, ihre Lebenswünsche in die Wirklichkeit zu bringen?

Kein Zweifel, dieser Ansatz beim Mit-Leiden, bei der Sym-Pathie treibt die Hoffnung nicht weniger an als die eigene Sehnsucht: das Verlangen nach Gerechtigkeit und nach einem Ausgleich für alle, die Opfer von Unrecht geworden sind.

Das lässt sich deutlich im Alten Testament erspüren. Die über das Diesseits hinaus weisenden Hoffnungsstimmen entstehen in der Zeit von Demütigung; sie entstehen im Exil, in der Zeit von Vertreibung und Repression, während der hellenistischen Fremdherrschaft. Die größere Hoffnung flammt auf, als die Nachfolger Alexanders des Großen den Tempel entweihen und den Glauben Israels zu zerstören trachten. Denn es wird eine Zeit großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben sind. Und viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen… (Daniel 12, 1-2).

4. Der lebendige Gott als Grund der Hoffnung

Wir haben nach den menschlichen Motiven gefragt, die unsere Hoffnung ausweiten über das irdische Leben hinaus. Das halte ich auch für berechtigt. Aber das entscheidende Hoffnungsmotiv rührt nicht vom Menschen her, sondern, wenn wir der Bibel folgen, von Gott dem Lebendigen selber.

Der Gott, der Abraham beruft, der sein Volk durch Mose sammelt und aus der Knechtschaft führt, der einen Bund schafft und seine Gebote gibt: dieser lebendige Gott, Schöpfer und Erretter, der treue Gott bricht seine Beziehung nicht ab im Tode. Weder mit dem Volk Israel, noch mit den Einzelnen, die sich im Glauben auf Ihn einlassen.

Es ist wunderbar, in den Psalm-Gebeten zu verfolgen, wie Stück um Stück die Hoffnung größer wird auf den Gott, der uns in seiner Gemeinschaft hält. Besonders die Psalmen 16, 73 und 49 bieten sich zur Meditation an. Aber heißt es nicht schon im Psalm vom guten Hirten: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar (Psalm 23,6). Ganz deutlich wagt der Dichter des 73. Psalms den Schritt des Vertrauens über die Todesgrenze hinaus: Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil (Psalm 73,26).

5. Christi Auferstehung: Hoffnung erweitert und entschränkt

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten…(1 Petrus 1,3) Das neue Testament nimmt die Hoffnungs- Linien Israels auf und fügt doch etwas ganz Neues hinzu. Dieses Neue hat mit der Person Jesu von Nazareth zu tun.

Der Jesus, wie ihn die Evangelien zeichnen, verkündet den Anbruch und die intensive Nähe von Gottes  Reich. Wie sollte diese Gottesherrschaft zerbrechen an der Mauer des Todes? Tatsächlich vermag Jesus nach der Bergpredigt die selig zu preisen, die ganz bedrängt und verstört sind: die Armen, die Trauernden, die Hungernden und Dürstenden nach der Gerechtigkeit. Ihnen gehört das Himmelreich; sie werden von Gott getröstet werden! Sie werden gesättigt sein! (Matthäus 5,3-10)

Darum wird so viel von Kranken und ihrer Heilung erzählt, ja drei Mal von einer Erweckung aus dem Tode. Gerade kürzlich habe ich wieder die grandiosen Bild-Fresken auf der Reichenau (Bodensee), in St. Georg von Oberzell gesehen, in denen lauter Heilungstaten Christi samt den Toten-Erweckungen ins Bild kommen. Als die Sadduzäer versuchen, Jesus mit einem kniffligen Jenseitsproblem in Verlegenheit zu setzen, da antwortet er klar und kühn: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes (Markus 12, 24).

Alle diese Erzählungen der Evangelien sind schon vom österlichen Glauben mitinspiriert. Von jener unerhörten Begegnung mit dem getöteten Jesus, der nicht ins irdische Leben zurückkehrt, sondern aus Gottes Leben heraus sich zeigt und neu spricht. Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus… (1. Petrus 1,3). Der Jubel im ersten Petrusbrief entspringt aus der Begegnung mit dem auferstandenen Christus. Und mit der Gewissheit: damit ist auch unser Leben mit verändert, erweitert, unsere Hoffnung ins Unabsehbare hinein entschränkt.

Der Apostel Paulus ist es, der in seinen Briefen diese erweiterte Hoffnung durchbuchstabiert und in ihren Folgen für das Leben der Christen auslegt. Das lässt sich grandios im großen Vermächtnisbrief an die Römer verfolgen. Aber auch der erste Thessalonicherbrief und die beide Korintherbriefe reflektieren die Weite der neuen Hoffnung über alle Tode hinaus. Für Paulus ist in Jesus die rettende Gerechtigkeit Gottes erschienen, sein Erbarmen und seine Gnade: Wer im Glauben die ausgestreckte Hand annimmt, der lässt die Tyrannei einer alten Welt hinter sich. Das tödliche Gesetz mit der Übermacht der Sünde ist durch das Kommen Christi entmachtet.

Beachten wir wohl: Diese entschränkte Hoffnung ist mehr als eine Vertröstung auf später, die alles irdische Elend bestehen lässt. Mit Christi Auferstehung ist die Macht des Todes überwunden, mag noch so viel bitteres und trauriges Sterben weiter geschehen. Die Überwindung des Todes wird auch für uns schon ahnbar, ja auch erfahrbar. Im neuen Geist Gottes, der unser Leben umwandelt und neu ausrichtet. In der Taufe, die uns Anteil gibt an Jesu Tod und Auferweckung (Römer 6). Im Heiligen Abendmahl, in dem wir einen Vorgeschmack der kommenden Welt erfahren dürfen. In dem neuen Handeln, einem vernünftigen Gottesdienst (Römer 12,2), der nicht mehr von den alten Egoismen gesteuert bleibt.

Das Johannesevangelium hat diese Gegenwart des Erhofften in seiner Sprache immer neu nahe gebracht: In der Lazaruserzählung sagt Jesus zu Marta und zu uns allen gewendet: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben (Joh 11, 25-26).

Eine entfesselte, eine entschränkte Energie der Hoffnung begegnet uns immer stärker in der Bibel. Der Kern dieser Energie hat mit Jesus, mit seiner umwälzenden Botschaft, seinem Handeln und seiner Passion und dem zu tun, was im Neuen Testament ‚Auferstehung von den Toten’ heißt. Reden wir ruhig von einer Revolution der Hoffnung, die von Jesus ausgeht. Alle Menschheits-Revolutionen, so hat man gesagt, machen doch Halt vor dem verschlossenen Tor des Todes. Am Ende gewinnt doch immer der Tod. So hat Stalin einmal im Gespräch mit de Gaulle die traurige Quintessenz seines revolutionären Lebens zusammengefasst. Einzig die Revolution in Jesus Christus, diese Gottes-Revolution, wagt die Hoffnung über den Tod hinaus und Zuversicht auch für die Toten.

B   Worauf wir hoffen dürfen

1. Bilderverbot und Bilderhilfe

Marie-Luise Kaschnitz hatte ein Ja gewagt auf die Frage, ob sie an ein Leben nach dem Tode glaube. Die eigentlichen Schwierigkeiten fangen für sie damit an, wie man sich ein solches Leben vorstellen soll. Vielen Christen ergeht es heute ähnlich. Wir wagen ein leises Ja  gegenüber den Kräften der Hoffnung; aber wir werden rasch kleinlaut und verlegen, fragt man uns, wie denn diese Hoffnung konkret aussehen soll.

Wir geraten hier in eine Spannung hinein, die schon im biblischen Glauben angelegt ist. In das Nebeneinander von Bilderverbot und Bilderhilfe. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen… (2 Mose 20,4). So beginnt das Gebot, das alle Bilder von Gott mit einem strikten Verbot belegt. Sollte diese Bilderkritik nicht auch gelten für die kommende Gottes-Welt, das vollendete Reich Gottes, das ewige Leben? Viele bekennen, dass für sie dieses kommende Leben ganz unvorstellbar bleibt. Freya von Moltke (1911-2010), die ihren als Widerstandskämpfer gegen Hitler hingerichteten Mann um so viele Jahre überlebte, hat gemeint. Je älter ich werde, desto weniger bildhaft ist meine Vorstellung vom Himmel. Ich weiß immer weniger davon (1994). Es ist wie eine Nacht der Bilder, die eine allzu direkte Vorstellung oder gar Ausmalung der kommenden Welt zu verbieten scheint.

Das gilt auch für die Frage, wie sich eigentlich die Auferstehung der Toten, von der die Bibel und unser Glaubensbekenntnis spricht, zur jener Unsterblichkeit der Seele verhält, die vielen zugänglicher erscheint. Besteht hier ein unversöhnlicher Gegensatz? So haben es auch manche biblische Theologen gemeint und Pfarrer der letzten Generation nachgesprochen. Mir ist eine kleine Bemerkung unvergesslich, die ein schwerkranker Lehrer mir als jungem Studenten wie beiläufig auf den Weg gab. Ich erzählte von meiner Entdeckung, dass die Bibel gar nicht von der Unsterblichkeit der Seele, sondern von der Auferstehung der Toten, von einer Auferstehung, die doch den Leib mit hinein nimmt. Ach Klaus, wissen wir das so genau, wie Gott uns an seinem Leben teilnehmen lasst?

Diese Bilderkritik hat also ein biblisches und ein praktisches Recht. Auf der anderen Seite ist die Bibel voll von Bildern und Gleichnissen des Himmelreiches. Jesus selber spricht vorwiegend in bildhafter Rede von der Zukunft Gottes für uns. Im letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung des Johannes, begegnet uns eine wahre Bilderflut. Wir erfahren vom ewigen Leben als der bergenden Heimat (Philipper 3,21), lesen von der großen Lebens-Ernte (Markus 4,29), vom himmlischen Fest- und Freudenmahl (Lukas 14), von dem neuen Jerusalem (Offenbarung 21,2; Hebräer 12,22), von dem anderen Paradies (Lukas 23,43), vom Strom lebendigen Wassers, das die Lebensbäume tränkt (Offenbarung 22,1-2). Diese Bilder-Vielfalt schenkt uns die Möglichkeit, von erschiedenen Seiten her an das Geheimnis der Zukunft herangeführt zu werden. Man darf darin auch die Erlaubnis zur Freiheit sehen. Wir müssen nicht alles miteinander in Übereinstimmung bringen. Folgen wir der Bildspur, die uns am weitesten zum Herzen Gottes führt!

Wichtig scheint mir vor allem: Ale Bilder umkreisen eine ewige Glückseligkeit! Sie weisen hin auf das Schönste, was wir uns vorstellen können. Ewige Glückseligkeit: Deses Geschenk des Himmels bringt irdisches Glück und ewige Seligkeit zusammen.

2. Ewiges Leben hat schon begonnen

Wir können von der kommenden Vollendung nur in irdischen Sinnbildern und Symbolen sprechen. Es  wird alles ganz anders sein. Und doch dürfen wir schon jetzt Anteil haben an dem, was wir im Glauben erwarten und erhoffen.

Die der christlichen Hoffnung eine Jenseits-Vertröstung vorwerfen, verkennen, dass ewiges Leben für uns jetzt schon beginnt. Ewiges Leben beginnt ganz real im Glauben, in der festen inneren Verbindung mit dem rettenden Gott. Darum spricht Jesus dem Glauben die Macht zu, wahre Berge zu versetzen (Markus 1,22). Darum kann es heißen: Alles ist möglich dem, der da glaubt (Markus 9,23). Paulus kann den kühnen Satz wagen: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden (2 Korinther 5,17).

Besonders im Johannesevangelium wird uns deutlich, wie sehr das erhoffte ewige Leben schon in unser hinfälliges irdisches Leben hineinreicht und es durchdringt. Wer glaubt, hat das ewige Leben (6,47). Das ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen(17,3).

Ganz besonders sinnfällig wird die Gegenwart von Gottes kommendem Leben in der Gabe des Heiligen Geistes. Der Gottesgeist, der unser Leben leitet, ist ja wie ein Unterpfand und ein Vorgeschmack der ewigen Erfüllung.

3. Kommunikation/ Gemeinschaft als Ziel: mit Gott, mit Christus im Leben

Das ewige Leben darf schon auf dieser Erde schon anfangen. Wir schmecken etwas von den Kräften der neuen Welt. Durch den Geist Gottes und darum im Glauben, in der Liebe.

Und dieses Leben wird ewige Gemeinschaft, erfüllende Kommunikation sein. Dieser Begriff der Kommunikation kommt in manchen neueren Arbeiten zur christlichen Hoffnung vor.[6] Aber eigentlich ist das ein ebenso altes wie hilfreiches Kernwort.

Oft wird die Frage gestellt: Werden wir in der andern Welt noch die Menschen sehen und mit ihnen in Kontakt sein, die wir hier geliebt haben? Marie-Luise Kaschnitz kann und will sich das kommende Leben nicht ohne ihren Mann vorstellen. Der Theologe Karl Barth hat zwar auf die Frage, ob wir unsern Lieben begegnen werden, die Antwort gegeben: Ja, aber nicht nur unsern Lieben. Die menschliche Gemeinschaft, die hier immer wieder brüchig und vorläufig war: dort wird sie zu ewigen Erfüllung kommen.

Aber es geht um eine größere Kommunikation. Letztlich ist es die Kommunikation mit Gott selber, die unsere Glückseligkeit ausmachen wird. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? So spricht der sehnsüchtige Beter in Psalm 42. All unser Sehnen wird gestillt werden vor Gottes Angesicht. Jesu spricht die selig, die reinen Herzens sind. Ihnen wird das direkte Versprechen zuteil: denn sie werden Gott schauen (Matthäus 5,8). So ist in der seligen Gemeinschaft mit Gott alle Gemeinschaft erfüllt und vollendet.

Im Neuen Testament ist ebenso von der Gemeinschaft mit Christus die Rede, als dem höchsten Ziel der schauenden Glückseligkeit. Im 1. Brief an die Christen in Saloniki entfaltet Paulus zum ersten Mal seine Hoffnungsbotschaft. Manches davon mutet uns fremd an. Aber am Ende steht die schlichte Aussage: und so werden wir bei dem Herrn – dem Kyrios Jesus – sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander (1Thessalonicher 4,17 f.). Ganz ähnlich heißt im Brief an die Philipper das Ziel über das eigene Sterben hinaus: bei Christus zu sein (Philipper 1,23).

Gott schauen dürfen – Gemeinschaft mit Christus erfahren: In dieser Gemeinschaft erfüllt sich all unser Verlangen nach Leben und nach Gemeinschaft.

4. In Ewigkeit Liebe

Ewigkeit verstehen viele als eine endlose Zeitstrecke. Da kann es dem Münchener im Himmel schon bang werden, bei dem ewigen Halleluja-Singen, und er sehnt sich dann eher zurück zu den irdischen Wonnen beim Oktoberfest.

Aber Ewigkeit als Inbegriff von Glückseligkeit ist eher von einer andern Seite her nahe zu bringen. Denken wir an die Tage, die wie im Flug vergehen, an die glücklichsten Stunden, die intensivsten Augenblicke im Einklang mit der Welt: Die selige Ewigkeit, die hier beginnt und sich ‚drüben’ erfüllt, ist wie ein Nu von intensiver Freude. Da begegnet uns die Ewigkeit  in der Gemeinschaft mit Gott.

Man darf es auch anders sagen: die erfüllte Ewigkeit lässt sich von Liebe nicht trennen. Sie ist in Liebe verwandelte Zeit. Marie-Luise Kaschnitz kommt in ihrem Hoffnungs-Gedicht genau auf dieses Ziel. Was sie wirklich erwartet, bringt sie auf die Worte: Nur Liebe frei gewordne/ Niemals aufgezehrte/ Mich überflutend…[7]  Die Liebe, an die wir hier glauben, sie wird uns dort überfluten, wir werden in ihr sein ohne Abschied und Verluste. Im 1. Johannesbrief heißt es: Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (4,16). Die Ewigkeit, die wir meinen, bedeutet: bleiben dürfen in der Liebe, die Gott selber schenkt und die er selber ist. In dieser Liebe ruhen und wirken.

5. Ruhen und Wirken

Das Leben nach dem Tod wird vielfach verglichen mit einem glücklichen Ruhezustand. Requiescat in pace – Er ruhe in Frieden, so war auf vielen Grabsteinen zu lesen. Das ist ein verständlicher Wunsch für alle, die ihr Dasein als extreme oder peinigende Unruhe und Plage erleiden. Reinhold Schneider, der von Krankheit und quälender Müdigkeit Geplagte, schreibt in seinem letzten Werk Winter in WienIch kann mir einen Gott nicht denken, der so unbarmherzig wäre, einen todmüden Schläfer unter seinen Füßen, einen Kranken, der endlich eingeschlafen ist, aufzuwecken[8]. Von einem frohgemuten Gottesmann wie Christoph Blumhardt wird erzählt, dass er nach dem letzten Schlaganfall hochzufrieden geäußert hat: Jetzt ist bald Feierabend!

Aber in Ewigkeit nur Schlaf? Stellt sich dabei nicht auch die Furcht vor der Langeweile ein? Ich kann darum gut begreifen, wenn manche sehr bewusst nach der kreativen Seite des ewigen Lebens fragen. Ihnen genügt es nicht, für immer auf der himmlischen Bärenhaut zu liegen. Philipp Melanchthon, der seine größte Freude im dialogischen Lernen erlebt hatte, war sich gewiss: die Ewigkeit wird einer himmlischen Akademie gleichen, in der Rede und Gegenrede, Argument und Austausch aus den irdischen Grenzen befreit sein werden. Für Goethe war auf die Dauer kein Leben ohne kreatives Schaffen und Gestalten denkbar. Man muss sich immerfort verändern, erneuen, verjüngen, um nicht zu stocken.[9] Wie sollten wir in der ewigen Liebe davon ausgeschlossen werden? Jörg Zink (geboren 1922) meint in einem seiner neusten Bücher: …ich kann mir nicht denken, wir brauchten eine Ewigkeit, um unsere Müdigkeit auszuschlafen. Ich kann mir nicht vorstellen, es erwarte uns nach diesem Leben eine ewige Sofaeckenruhe…Ich werde andere Möglichkeiten haben, andere Aufgaben, andere Kräfte. Aber dass ich irgendwo herumliegen und ruhen würde, das erschiene mir absurd.[10]

6. Im Einklang mit dem Ganzen: Das himmlische Lob

Der Weg ins Leben beim Gott der Liebe wird ein Weg zum Licht sein. Viele, die an die Grenze des Todes geführt waren, haben gemeint, von diesem wunderbaren Licht auf der andern Seite etwas wahrzunehmen. Aber schon jetzt gibt uns ja der Gottes-Glaube und die Christus-Botschaft dieses Ziel vor. Was ist alles enthalten in dem Psalm-Satz: Du bist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht. (Psalm 36,10) Besonders im Johannesevangelium zieht Christus die Licht-Spur durch sein Wirken für alle, die zu ihm gehören wollen. Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben (Johannes 8,12).

Kein Wunder, wenn in vielen Zeugnissen von Christen dieses Licht-Ziel in immer neuen Variationen wahrnehmbar wird. Einer der großen Hymnen des byzantinischen Mönchs Symeon, den man den ‚Neuen Theologen’ nennt, beginnt: Komm, Heiliger Geist, Du wahres Licht, / komm, ewiges Leben. Um noch einmal Jörg Zink zu nennen: Sein Büchlein Auferstehung trägt den Untertitel Und am Ende ein Gehen ins Licht. Zink schreibt als Quintessenz seiner Hoffnung: Und so sehe ich hinter dem Ende einen Anfang, und der Anfang wird im Licht geschehen.[11]

Wie sollte solches Licht nicht Freude als Einlösung aller wahren Sehnsucht bedeuten? Ich erinnere an zwei alte Lieder, die dieses Freuden-Ziel mit bezwingender Intensität vergegenwärtigen. Johann Francks (1618-1677) Jesu meine Freude, mit der letzten Strophe: Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freuden meister, Jesus tritt herein… (EG 396,6) Paul Gerhardts Die güldne Sonne mündet in die Zuversicht: Freude die Fülle und selige Stille/ wird mich erwarten im himmlischen Garten;/ dahin sind meine Gedanken gericht’ (EG 449,12).

Wir brauchen nicht vergessen, was an Vorbehalten gegenüber allen allzu irdischen Ausmalungen des Lebens bei Gott gesagt wurde. Die Schranke, die der Apostel Paulus aufrichtet, können wir nicht überspielen: Denn unser Wissen ist Stückwerk und  unser prophetisches Reden ist Stückwerk…Jetzt erkenne ich stückweise (1 Korinther 13,9.12).

Und doch gehört zu der Hoffnung das strömende Lob ohne Ermattung und Öde, so wie es aus dem Einklang mit dem Ganzen und der Gottesgemeinschaft erklingt: Gloria sei dir gesungen/ mit Menschen- und mit Engelzungen,/ mit Harfen und mit Zimbeln schön… (Philipp Nicolai EG 147,3). Dann wird es eingelöst werden, was ein zeitgenössischer Hoffnungs-Poet singt: Lobe den Herrn des Kosmos,/ das  Weltall ist sein Heiligtum/ mit einem Radius von hunderttausend Millionen Lichtjahren/….Alles, was atmet/ lobe den Herrn,/ jede lebendige Zelle, / Halleluja.[12]

Gemeindevortrag in Haßloch am 6. April 2011

[1]  Ein Leben nach dem Tode, in: Kein Zauberspruch, Gedichte, Frankfurt am Main 1972, 119 f.

[2] Platon, Phaidon 106 e-107 a. (Übersetzung von Friedrich D. Schleiermacher)

[3] Homer, Odyssee 11, 488ff. nach Wolfgang Schadewaldts Übersetzung.

[4]  Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu, und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra,  Zarathustras Vorrede.

[5] Zitiert nach dem Bericht in: Christ in der Gegenwart, Nr.16 vom 17.4.2011.

[6] Unsere Hoffnung auf das ewige Leben. Ein Votum des Theologischen Ausschusses der Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Neukirchen 2006, 100: Der kommunikative Charakter des ewigen Lebens.

[7] Kein Zauberspruch, 1972, 119.

[8] Winter in Wien, (1958), Herder- Taschenbuch,  1963,76.

[9] So Goethe zu Kanzler Müller. Zitiert nach Richard Friedenthal, Goethe und seine Zeit, München 1963,654.

[10] Auferstehung. Und am Ende ein Gehen ins Licht, Freiburg 2011, 88f.

[11] J. Zink, a.a.O. 95.

[12] Ernesto Cardenal, Südamerikanische Psalmen,  Wuppertal 1968,  59 f.

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